Rechtshilfe 1×1

Datei Gewalttäter Sport

Was ist die Datei „Gewalttäter-Sport“ überhaupt?

Bei dieser Datei handelt es sich gemäß § 29 Abs. 1 bis 5 BKAG um eine Verbunddatei, welche es den Polizeien der Länder sowie der Bundespolizei ermöglicht, sportspezifische Personenerkenntnisse zu speichern und im Fahndungssystem INPOL abzubilden. 1994 wurde die Datei nach einem Beschluss der Ständigen Konferenz der Innenminister und –senatoren eingerichtet, um mit ihren Worten:

Auf einer nachvollziehbaren Grundlage zwischen Gewalttätern und Fans, denen ein friedlicher Besuch der Spiele ermöglicht werden soll, zu unterscheiden.“

Ziel der Speicherung ist es, Personen die im Bezug mit Fußballspielen bereits straffällig wurden, oder von denen die Polizei ausgeht, dass sie es werden könnten, unter anderem mit Meldeauflagen oder Ausreiseverboten zu belegen, um zukünftige Straftaten zu verhindern.  Bundesweit sind knapp 6.000 Personen  (Stand: 08.04.2023) in dieser Datei erfasst.

Die Realität sieht leider etwas anders aus. Schon eine simple Personalienfeststellung im Zusammenhang mit einem Ereignis am Spieltag (dazu zählt zum Beispiel auch An- und Abreise oder Treffpunkte außerhalb des Veranstaltungsortes) kann zu einer Eintragung führen, über die man darüber hinaus auch nicht informiert werden muss. Dafür muss man nicht einmal direkt Beteiligter sein. Grundlagen für die Eintragung sind unter anderem:

  • Einleitung eines Ermittlungsverfahrens
  • strafrechtliche Verurteilung
  • Platzverweis
  • Ingewahrsamnahme
  • Personenkontrolle

Ist man einmal in der Datei gespeichert, bekommt man das spätestens bei der Passkontrolle am Flughafen zu spüren. Selbst wenn man nur Urlaub machen möchte, wird man mit einer intensiven Befragung über Sinn und Zweck der bevorstehenden Reise konfrontiert. In vielen Fällen landen Fußballfans völlig unschuldig in der Datei und werden trotzdem am Flughafen oder bei simplen Verkehrskontrollen wie Gewalttäter behandelt, ohne zu wissen warum. Im schlimmsten Fall können sogar Ausreiseverbote, Bereichsbetretungsverbote, Beförderungsausschlüsse, Meldeauflagen, bis hin zum Passentzug drohen.

Nachdem niemand weiß ob seine Daten gespeichert sind oder nicht, ist die einzige Möglichkeit eine schriftliche Anfrage bei der ZIS (Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze beim LKA in Duisburg). Das dazugehörige Formular findest du hier.

Normalerweise erfolgt eine automatische Löschung nach fünf Jahren. Man kann sich aber auch auf der Seite des Bundesbeauftragten für Datenschutz und die Informationsfreiheit an seinen Landesschutzbeauftragten wenden, um die Löschung zu beantragen, oder mithilfe eines Anwalts auf die Löschung bestehen, falls diese nicht nach Ablauf der fünfjährigen Frist erfolgt ist.

Welche Daten werden gespeichert?

Neben Personalien und Grund der Maßnahme (Personenkontrolle, Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, …) wird auch das zugehörige Aktenzeichen, das turnusmäßige Löschungsdatum und die Vereinszugehörigkeit vermerkt. Oft finden auch Begleitpersonen und äußerliche Merkmale wie Tattoos, Narben und sogar die Schuhgröße ihren Weg in diese Datei.

Kritikpunkte

Diese Verbunddatei ist nicht nur bei Fußballfans, sondern auch bei Bürgerrechtsaktivisten aufgrund der teils willkürlichen Speicherung von Personendaten hoch umstritten. Ein „zur falschen Zeit am falschen Ort“ reicht oftmals aus, um bei künftigen Fußballspielen, beim Reisen und teilweise auch am Arbeitsplatz mit „vorbeugenden Maßnahmen zur Gefahrenabwehr“ konfrontiert zu werden.

Abgesehen davon, dass man über die Speicherung seiner Daten nicht informiert wird, stellt sich außerdem die Frage ob eine Löschungsfrist von lediglich drei, statt der aktuellen fünf Jahre nicht ebenso ausreichend wäre. Man kann also durchaus sagen: Die intransparente Sammlung all dieser Daten verstößt gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.

Auch als höchst kritisch ist die Datenweitergabe zu Betrachten; vor der WM 2018 in Russland sind Anfragen von russischen Behörden in Bezug auf deutsche Fußballfans an die Zentrale Informationsstelle Sport eingegangen. Schon 2017 wurden Daten von Fans nach Russland weitergegeben.

Ein paar Beispiele gefällig?

2019 verklagte ein Anhänger der Fanszene von Waldhoff Mannheim erfolglos die Bundesrepublik Deutschland auf Schadensersatz in Höhe von 300 Euro, weil er seine ursprünglich geplante Reise nicht antreten durfte. Er wollte im November 2018 nach Zypern fliegen, um dort das Euro-League-Spiel zwischen Apollon und Eintracht Frankfurt zu besuchen, was ihm aber durch eine Ausreiseuntersagung eines Bundesbeamten am Flughafen verwehrt wurde, da er zwischen 2015 und 2017 mehrfach strafrechtlich (Sachbeschädigung, Körperverletzung & Landfriedensbruch) bei Fußballspielen in Erscheinung trat. Das Landgericht Frankfurt entschied am 25.11.2019, dass die Bundesrepublik Deutschland das Recht habe einem Fußballfan der bereits durch erhebliche Gewaltdelikte auffällig wurde, die Ausreise zu einem Fußballspiel zu verweigern.

Einem Deutschen könne unter anderem die Ausreise ins Ausland verweigert werden, wenn dadurch Belange der Bundesrepublik gefährdet würden. Gewaltdelikte deutscher Bürger bei Veranstaltungen im Ausland beeinträchtigten deutsche Belange, so das Gericht.

Einem Fußballfan aus München erging es am Flughafen ende 2016 ähnlich; als er sich mit Freunden auf den Weg zu einem Länderspiel in Osteuropa machen wollte, wurde er beim Einsteigen in das Flugzeug von Beamten abgeführt. Sie teilten ihm mit, dass gegen ihn ein Ausreiseverbot vorliegt und er Deutschland für die nächsten vier Tage nicht verlassen dürfe. Darüber hinaus, müsse er an seinen Wohnsitz zurückkehren und sich einmal täglich beim Amt melden. Die Begründung dafür lautete, dass er sich mit seinen Freunden (darunter auch Anhänger von Schalke und Dortmund) zu Randale im Ausland verabredet hatte.

Schon vor diesem Ereignis wurde er beim Ausreisen am Flughafen penetranten Fragen unterzogen; „Wohin? Warum? Mit wem?“. Auch bei Verkehrskontrollen waren Beamte in der Vergangenheit oftmals über gründlich, weshalb er bereits ahnte sich in der Gewalttäter Sport-Datei wiederzufinden.

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